,,L´immeuble“ - ,,Der Wohnblock“ -
eine globale Simulation im CALL-Unterricht


von Bertlinde Vögel(言語文化部 ドイツ語教育講座

Einleitung

In diesem Semester habe ich zum ersten Mal das Unterrichtsverfahren ,,globale Simulation“ im CALL-Unterricht angewandt. Für mich selbst war es noch eine Herausforderung, fünfzig Studierende dazu zu bringen, in Gruppen an einem Roman zu schreiben.Es scheint allerdings geklappt zu haben und es hat sich gezeigt, dass der Computer das ideale Hilfsmittel ist, um eine Simulation einfach und problemlos durchführen zu können.

1. Was ist eine ,,globale Simulation“?

Die Idee zu einer ,,globalen Simulation“ ist in den siebziger Jahren in Frankreich entstanden. Die globale Simulation war ein Kind der damaligen Zeit. Man wandte sich von Lehrwerken ab und suchte nach Neuem.Die Frage, was denn eine globale Simulation sei, beantwortet Yaiche (1996, 10) mit Hinweisen darauf, was man dafür braucht

,,Une première approche conduit à énoncer deux principes fondamentaux. Pour entreprendre une simulation globale, il faut:
- construire un «lieu-thème»;
- construire des identités fictives.“
(Yaiche 1996, 10)
(Übersetzung von B.V.: Bei der ersten Annäherung stößt man auf zwei grundlegende Prinzipien. Um eine globale Simulation durchfuhren zu können, muss man
- einen Ort konstruieren, um das Geschehen zeitlich und örtlich zu fixieren - fiktive Identitäten konstruieren.)

Diese Identitäten werden im Laufe einer wochenlangen Simulation begleitet. Sie begegnen sich, unterhalten sich, verlieben sich, streiten sich und bewältigen Probleme miteinander. Um dies zu dokumentieren kann man Prosatexte schreiben, Dialoge verfassen und vorspielen oder andere Formen des sprachlichen Ausdrucks finden. Bei der globalen Simulation können einzelne Arbeitsaufgaben in einen weiteren Kontext gestellt werden. Dadurch wird es möglich, authentische Kommunikation zu erleben. (Sippel 2003, 40). Simulationen können DaF-LernerInnen zu ,,aktivem, engagiertem, wirklichkeitsnahem und relativ komplexem Handeln in der Fremdsprache anregen [...].“ (Ecke 2001, 159)

2. Das Simulationsprojekt ,,Der Wohnblock“

Das Simulationsprojekt ,,Der Wohnblock“ ist mittlerweile zum Klassiker avanciert. Bei diesem Projekt wird zunächst ein Wohngebäude beschrieben und der Ort, an dem es sich befindet. Dann wird es mit Figuren belebt. Danach begegnen sich diese Figuren. Alle bereiten sich auf ein bekanntes gemeinsames Ereignis vor. Plötzlich geschieht etwas Unvorhergesehenes, das der/die SpielleiterIn einbringt. Viele bemühen sich um eine Lösung des Problems. Schließlich muss noch ein Schluss für die Simulation gefunden werden.
Ein wichtiges Handbuch fur die Vorbereitung meines Unterrichts war Debyser (1996). Es enthält viele Tipps, wie ein Simulationsprojekt über einen Wohnblock angeregt und durchgeführt werden kann.

3. Die konkrete Durchführung in diesem Semester

Zuerst teilte ich die Studierenden in Gruppen zu acht bis neun Personen ein. Danach mussten sie einen deutschsprachigen Staat ziehen. Ihr Wohnblock würde in einer Stadt dieses Staates stehen. Sie beschrieben zunächst den Ort. In der nächsten Stunde erfanden sie die Personen. Paradoxerweise lässt sich die Phantasie anregen, wenn man den Lernenden Begrenzungen auferlegt. Ich teilte den Gruppen Karten zum Geschlecht, zum Alter und zu Haustieren oder Gegenständen, die die Personen besitzen, aus. Diese wurden von den Lernenden entweder gezogen oder ausgewählt und anhand dieser Merkmale wurden die 30 Personen entworfen, die den Wohnblock bevölkerten.
Danach begegneten sich die Personen - auf der Stiege oder auf dem Kostümfest in der Straße. Eine Kassa war plötzlich verschwunden und nach dem Täter musste gesucht werden. Manche Figuren machten auch einen kleinen Campingausflug, für den es einiges vorzubereiten gab. Die Simulation endete mit einem Blick in die Zukunft.
Im Juli ordneten die Lernenden die verfassten Texte dem jeweiligen Romankapitel zu und verfassten Inhaltsangaben vom eigenen Werk und von den Romanen anderer Gruppen.

Schluss

Der Versuch scheint geglückt zu sein. Die Studierenden im zweiten Lernjahr haben regelmäßig in Paaren oder Kleingruppen ihre Texte verfasst und am Ende ließ sich schließlich auch ein Endprodukt vorweisen, das anderen Gruppen hergezeigt werden konnte.
Dieses Mal ging es mir nur darum zu entdecken, ob es überhaupt möglich ist, ein Simulationsprojekt ein ganzes Semester durchzuhalten. Es zeigte sich, dass es gar nicht so schwer ist.
In weiteren Projekten möchte ich das Internet noch mehr für die Erstellung der Texte und den Erwerb von Landeskunde nützen. Der Computer könnte auch ein gutes Hilfsmittel sein zum Wortschatzerwerb. Lernende könnten im Laufe eines Simulationsprojektes dazu angeregt werden, nicht nur die Texte zusammen zu schreiben, sondern auch den Vokabellernstoff. Damit würden sie quasi ihr Lehrwerk selbst schreiben. (vgl. dazu auch Sippel (2003, 38-40)

Literatur:

Debyser, Francis (1996): L'immeuble.- Paris: Hachette.
Ecke, Peter (2001): Simulationen im Unterricht Deutsch
  als Fremdsprache.- In: Deutsch als Fremdsprache. 38. Jg. Heft 3/2001. S. 159-165.
Sippel, Vera (2003): Ganzheitliches Lernen im Rahmen
der Simulation globale. Grundlagen - Erfahrungen - Anregungen.- Tubingen: Narr.
Yaiche, Francis (1996): Les simulations globales. Mode
d'emploi.- Paris: Hachette
 
 
Weitere Literaturhinweise zum Thema ,,Simulationen“:
Archibald, Alasdair (1997):Using Simulation Activities
in Advanced Level English Classes.- In: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 31. Jg. Heft 26. Ausgabe 2/1997. S. 34-38
Arndt, Manfred (1997): Simulationen.- In: Der
fremdsprachliche Unterricht Englisch 31. Jg. Heft 26. Ausgabe 2/1997. S. 4-10.
Arndt, Manfred (2003): Aktives Sprachenlernen durch
den Einsatz erprobter Unterrichtsverfahren- In: Fremdsprachenunterricht - Zeitschrift fur das Lehren und Lernen fremder Sprachen. Heft 2/2003. S. 88-94.
Bombardieri, Corinne, Philippe Brochard und Jean-
Baptiste Henry (1996): L'entreprise. Paris: Hachette.
Cali, Chantal, Mireille Cheval und Antoinette Zabardi
(1995): La conférence internationale et ses variantes.- Paris: Hachette.
Cresswell, Jeff (1997): Creating Worlds, Constructing
Meaning. The Scottish Storyline-Method- Portsmouth: Heinemann.
Jones, Ken (1984): Simulationen - ein
Unterrichtskonzept.- In: Ken, Jones u. a.: Simulationen im Fremdsprachenunterricht. Handbuch fur Schule, Hochschule und Lehrerfortbildung- Munchen: Hueber. S. 10-95.
Jones, Ken (1995): Simulations. A Handbook for
Teachers and Trainers. 3rd ed.-London: Kogan Page Ltd., Nichols Publishing.
Kocher, Doris (1999): Das Klassenzimmer als
Lernwerkstatt. Medien und Kommunikation im Englischunterricht nach der Storyline-Methode.- Hamburg:Verlag Dr. Kovac.
Richards, Jack C. und Richard Schmidt (2002): Longman
Dictionary of Language Teaching & Applied Linguistics. 3rd ed.- Essex: Longman
Rösler, Dietmar (1994): Deutsch als Fremdsprache.-
Stuttgart, Weimar: Metzler
Pacthod, Alain (1996): L'hôtel.- Paris: Hachette.
Yaiche, Francis (1994): Les Simulations Globales.
Principes et domaines d'application des simulations globales.- In: Der fremdsprachliche Unterricht Französisch. 28. Jg. Heft 14. Ausgabe 2/1994. S. 39-41.